Arbeitnehmerüberlassung in der Praxis
Bei der Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich um ein spezielles Beschäftigungsmodell, dass in den letzten Jahren zunehmend populärer geworden ist. Dieses Beschäftigungsmodell bietet zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Modellen, ist für viele auf den ersten Blick jedoch schwer nachzuvollziehen. So kompliziert wie es klingt, ist das Modell der Arbeitnehmerüberlassung aber gar nicht. Im Grunde genommen genießen Zeitarbeiter die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie andere Arbeitnehmer auch. Dennoch gibt es in der Praxis einige Unterschiede zu anderen Beschäftigungsarten. Diese beziehen sich beispielsweise auf den Umgang mit Arbeitszeiten, der Art der Entlohnung, Kündigungsfristen und vieles mehr. Wie genau das Modell der Arbeitnehmerüberlassung in der Praxis funktioniert erfahren Sie in dem folgenden Artikel.
Arbeitszeit in der Arbeitnehmerüberlassung
In der Regel ist bei der Arbeitnehmerüberlassung eine Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche vorgesehen. Durch etwaige Zusatzvereinbarungen kann davon abgewichen werden. So ist die wöchentliche Arbeitszeit bei Teilzeitangestellten beispielsweise geringer als bei Vollzeitkräften. Darüber hinaus müssen auch gesetzliche Feiertage mit einbezogen werden, woraus sich eine sogenannte „individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit“ ergibt. So beträgt die monatliche Arbeitszeit bei 20 Arbeitstagen im Monat beispielsweise 140 Stunden, während es bei 21 Arbeitstagen 147 Stunden sind.
Arbeitet der Zeitarbeiter dagegen 22 Tage im Monat, so ergibt sich eine Monatsarbeitszeit von 154 Stunden und bei 23 Arbeitstagen sind es dementsprechend 161 Stunden. Ausschlaggebend ist bei diesem Modell jedoch die Arbeitszeitregelung im Leihunternehmen. Ist es dort beispielsweise üblich, dass die Angestellten 40 Stunden pro Woche arbeiten, so gilt dies auch für den Leiharbeiter. Für die betreffende Woche bekommt er jedoch nur 35 Arbeitsstunden ausbezahlt, da dies in seinem Arbeitsvertrag so geregelt ist. Die Überstunden werden dabei jedoch einem sogenannten Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und gehen somit nicht verloren. Diese können dann am Ende des Monats als Zuschläge mit ausgezahlt oder in Form eines Freizeitausgleiches abgebaut werden.
Arbeitszeitkonto
Das Arbeitszeitkonto stellt gerade für den Verleiher ein wichtiges Element der Arbeitnehmerüberlassung dar. Durch dieses Zeitkonto ist es nämlich möglich, den Zeitarbeiter dem Entleiher wunschgemäß je nach Arbeitsanfall zu überlassen. Die Entleiher profitieren vor allem von der Flexibilität der Zeitarbeitsfirmen und somit davon, dass sie den Arbeitseinsatz der Angestellten dem jeweiligen Arbeitsanfall anpassen können. Somit muss der Inhaber der Zeitarbeitsfirma gewährleisten, dass diese Flexibilität möglich ist. Und genau dies funktioniert am besten mit einem sogenannten Arbeitszeitkonto. Um dieses abbauen zu können, muss der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber einen Antrag stellen, während Mehrarbeit dagegen jederzeit angeordnet werden kann. In erster Linie profitiert somit der Betrieb von diesem System. So können über mehrere Monate Zeitkonten aufgebaut und bis zum Maximum ausgeschöpft werden. Der Überstundenzuschlag wird dabei nur in dem entsprechenden Monat ausgezahlt.
Plus- und Minusstunden
Wenn der Arbeitnehmer mehr als die im Vertrag vereinbarte monatliche Arbeitszeit arbeitet, werden diese als Plusstunden gutgeschrieben. Minusstunden werden dementsprechend vom Arbeitszeitkonto abgezogen. Bei freien Tagen, an denen der Zeitarbeiter keinen Einsatz bei einem Kundenunternehmen hat, wird der vereinbarte tägliche Arbeitslohn gezahlt. Wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden bei fünf Tagen in der Woche vereinbart wird, werden ihm dementsprechend 7 Stunden gutgeschrieben. Hierfür werden keine Minusstunden auf das Zeitkonto übertragen. Für solche Tage, an denen der Arbeitnehmer nicht eingesetzt wird, darf dem Arbeitszeitkonto also nichts abgezogen werden. In der Praxis ist dies illegal, weil das Recht auf eine entsprechende Vergütung nicht durch Arbeits- oder Tarifverträge begrenzt werden darf. Nach den Richtlinien des iGZ darf das Arbeitszeitkonto bis zu 150 Plusstunden und bei BZA-Tarifen sogar bis zu 200 Plusstunden aufweisen. Der Minusbereich ist jedoch geringer und beträgt maximal 21 Minusstunden. Darüber hinausgehende Stunden müssen gegen Insolvenz abgesichert werden, wobei die Minusanzahl bei BZA-Tarifen nicht begrenzt ist. Sofern das jeweilige Unternehmen starken saisonalen Schwankungen unterliegt, kann das Arbeitszeitkonto sogar bis zu 230 Plusstunden aufweisen.
Ausgleich des Arbeitszeitkontos
Pro Monat kann der Arbeitnehmer zwei Arbeitstage als Freizeitausgleich zu einem von ihm bevorzugten Termin einfordern, sofern sein Arbeitszeitkonto genügend Plusstunden aufweist. Diese zwei frei verfügbaren Tage müssen jedoch beim Arbeitgeber beantragt und genehmigt werden. Sofern dringende betriebliche Gründe dem im Wege stehen, kann der Arbeitgeber die beantragten Freizeittage ablehnen. Sollte der Zeitarbeiter für die beantragten Tage arbeitsunfähig werden, so wird der beantragte Freizeitausgleich trotzdem vom Zeitarbeitskonto abgezogen. Sollte der Zeitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, so wird das positive Arbeitszeitguthaben ausbezahlt. Sofern das Arbeitszeitkonto dagegen im negativen Bereich liegt, wird es entsprechenden Entgeltansprüchen verrechnet. Einer gerichtlichen Überprüfung hält diese Maßnahme jedoch nicht stand. Der Arbeitnehmer kann ein negatives Zeitguthaben auch durch zusätzlichen Arbeitseinsatz ausgleichen. Im Arbeitsvertrag kann vereinbart werden, dass monatlich eine bestimmte Anzahl von Überstunden ausbezahlt wird, anstatt diese dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Hierfür muss der Zeitarbeiter jedoch mit höheren Lohnsteuerabgaben rechnen. Wer gegen die Lohnfortzahlungspflicht, welche beispielsweise bei Urlaub, Krankheit oder an Feiertagen gilt, verstößt, dem droht eine Anzeige beim Landesarbeitsamt, welche in schwerwiegenden Fällen auch zum Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung führen kann.
Kündigungsfristen
Bei der Arbeitnehmerüberlassung sind relativ kurze Kündigungsfristen vorgesehen. Gerade in den ersten zwei Wochen wird eine Kündigungsfrist arbeitsvertraglich meistens auf einen Tag verkürzt. Dies gilt zumindest für den BZA-Tarifvertrag, welcher außerdem eine Probezeit von drei Monaten vorsieht. In diesen drei Monaten kann mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden. Insgesamt beträgt die Probezeit jedoch sechs Monate, weshalb nach den ersten drei Monaten eine Kündigungsfrist von zwei Wochen vorgesehen ist. Diese Kündigungsfristen gelten sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Arbeitsverträgen. Im IGZ-Tarifvertrag sind die Kündigungsfristen ähnlich geregelt. Hier ist es möglich, das Beschäftigungsverhältnis innerhalb der ersten vier Wochen mit einer Frist von zwei Arbeitstagen zu kündigen. Ab der fünften Woche beträgt die Kündigungsfrist dann eine Woche und in der Zeit vom dritten bis zum sechsten Monat kann die Beschäftigung mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ab da gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen, an die sich beide Parteien halten müssen. Auch hier gelten Probezeit und Kündigungsfristen gleichermaßen für befristete als auch für unbefristete Arbeitsverhältnisse.
Sozialauswahl
Die Richtlinien der Sozialauswahl sind auch für eine Kündigung vonseiten des Arbeitnehmers beim Arbeitszeitunternehmen gültig. Auch wenn der Zeitarbeiter in einem Kundenunternehmen tätig ist, bleibt er Angehöriger der Zeitarbeitsfirma. Unter Umständen muss der Verleiher den Zeitarbeiter gegen einen anderen sozial weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer austauschen. In den meisten Fällen kann er sich nicht darauf berufen, die Sozialauswahl zu vernachlässigen, weil der Entleiher die letzte Entscheidung darüber hat, welchen Mitarbeiter er in seinem Unternehmen einsetzen möchte. So muss der Inhaber der Zeitarbeitsfirma ggf. eine Sozialauswahl vornehmen, bevor neue Stellen besetzt werden können. Somit muss dieser die Profile von sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern an den Entleiher übersenden.
Entlohnung
Wie hoch die Entlohnung bei der jeweiligen Tätigkeit ist, richtet sich nach dem Tarif. Dies ist zumindest der Fall, wenn das Zeitarbeitsunternehmen tariflich gebunden ist, was bei vielen Unternehmen die Regel ist. Die Einordnung setzt jedoch voraus, dass der Zeitarbeiter die geforderte Qualifikation für die jeweilige Tätigkeit mitbringt. Er kann also nur heruntergestuft werden, wenn er die entsprechende Leistung nicht in der gewünschten Qualität erbringen kann. Wird er in einem anderen Einsatz einer höheren Stufe zugeordnet, kann er hier durch auch in der Entgeltgruppe höher gestuft werden. Darüber hinaus erstatten einige Zeitarbeitsfirmen die Kosten für Fahrten und Übernachtungen, sowie für den sogenannten „Verpflegungsmehraufwand“. Dieser wird auch als „Auslöse“ bezeichnet und mit bis zu 25 % des Tariflohnes verrechnet.
Dieser prozentuale Anteil gilt für das Fahrtgeld und den Verpflegungsmehraufwand. Sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden kann der entsprechende Betrag nur in den ersten drei Monaten. Nach Inkrafttreten des Neuabschlusses im Jahr 2010 ist eine Umwandlung in Barlohn nicht mehr möglich. Mit dem Tarifabschluss, der im November 2016 getroffen wurde, soll eine Angleichung der Ost-West-Tariflöhne sowie eine allgemeine Lohnsteigerung mit deutlicherem Abstand zum generellen Mindestlohn erreicht werden. Somit ist der Zeitarbeit Mindestlohn schon im April 2022 höher als der deutschlandweite. Bei einem Werkvertrag ist eine tarifliche Entlohnung nicht zwangsläufig vorgegeben, sodass die Bezahlung aufgrund zahlreicher Konkurrenzunternehmen häufig schlechter sein kann als bei der Arbeitnehmerüberlassung beim Kunden. So kann es passieren, dass Tätigkeiten im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung geringer entlohnt werden, als wenn diese in einer Festanstellung beim Kundenunternehmen ausgeübt werden. Hier kommt es jedoch auf den Einzelfall an. In manchen Branchen kann dieses Verhältnis auch umgekehrt sein. Aus diesem Grund sollten Arbeitnehmer immer einen genauen Blick auf die Tarifverträge und den in ihrem Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitslohn werfen.
Weiterbeschäftigung beim Entleiher
Des Weiteren ist es im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung möglich, dass der Zeitarbeiter vom Entleihunternehmen übernommen wird. Sofern beide Parteien an einer Übernahme des Arbeitnehmers interessiert sind, muss der Entleiher dem Verleiher eine Vermittlungsgebühr bezahlen. Diese liegt in der Regel bei 10 bis 30 % des zukünftigen Jahresgehaltes bei dem jeweiligen Unternehmen.
Steuerrecht
Die Arbeitnehmerüberlassung sieht vor, dass Arbeitnehmer nicht dauerhaft in einer Tätigkeitsstätte arbeiten. Ausnahmen gelten hier nur, wenn der Einsatz von Beginn an nicht länger als vier Jahre dauern soll oder mit einer vorhergesehenen Übernahme verbunden ist. In allen anderen Fällen kann der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung zugeordnet werden. Die Vorgaben dieser Einrichtung sind dann auch für die steuerlichen Grundlagen im Dienst- und Arbeitsrecht ausschlaggebend.
Fazit
Wie Sie nun gelernt haben, gibt es in der Praxis der Arbeitnehmerüberlassung einige wichtige Aspekte zu beachten. Wer als Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche tätig werden will, der hat gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wichtig ist jedoch, sich die Tarifverträge genauer anzuschauen, um für sich selbst die besten Bedingungen herausschlagen zu können. Denn genau wie in jedem anderen Beschäftigungsmodell auch unterscheiden sich diese von Arbeitgeber zu Arbeitgeber maßgeblich.